Gedichte, Krimis, Satiren und Geschichten

von Gunnar Schuberth

In der Nähe von Siena

Doch einmal, morgens um sechs, stand ich auf und schloss alle Fenster, und verklebte die Ritzen an der Tür und am Fensterrahmen und steckte mir Wachs in die Ohren.
Und der Schweiß lief mir über das Gesicht, über die Brust und den Rücken, und ich zitterte, aber ich musste etwas tun, um die Stimmen nicht mehr zu hören.

Der Schlaf des Schmetterlings

 

 

Angela Merkels geheimes Tagebuch

Tränen und GedichteAngela Merkel

27.11.2017

Es ist im Nachhinein nicht mehr festzustellen, ob die Sondierungsgespräche tatsächlich abgebrochen wurden, weil Kubicki keine frischen Hemden mehr hatte.

Viele glauben, dass das nur ein Vorwand war. Denn als Kubickis Jammerei wegen seiner Hemden nicht mehr zu ertragen war, da zeigte Peter Altmaier, dass er für Jamaika zu jedem Opfer bereit war. Er zog Hemd und Hose aus und in Unterhose bot er sein Hemd Kubicki an. „Hier, ich geb mein letztes Hemd für den Erfolg von Jamaika“, rief er aus.

Die Szenen, die sich danach abspielten, sind kaum zu beschreiben. Angesichts des halbnackten Altmaiers wurde Kubicki kreidebleich und wankte aus dem Raum. Christian Lindner tat es ihm nach. Andere waren wie erstarrt, unfähig sich zu bewegen. Doch nicht einmal das Bild von Altmaier in Unterhosen konnte die FDP überzeugen.

Es gibt auch die Version, dass Lindners Eitelkeit der wahre Grund war. Dass er neidisch war, weil ihm ausgerechnet der Grüne Jürgen Trittin den Rang ablief. Eine coole Socke wurde Trittin von Jens Spahn genannt. Lindner nannte niemand eine coole Socke, er kam uns eher vor wie ein muffiger Kompressionsstrumpf.

Aber es ist müßig darüber nachzudenken, woran es lag. Es ist vorbei.

Unbeschreibliche Szenen spielten sich am Tag danach ab. Als ich durch die Reihen der grünen Abgeordneten ging, sah ich kaum ein Gesicht, das nicht nass von Tränen war. Und ich musste dort jemanden umarmen, hier tröstende Worte sprechen.

Es war etwas entstanden in den Tagen der Sondierung. Auch wenn der sich immer stärker ausbreitende Geruch von Kubickis abgetragenen Hemden alles überlagerte, so glaubte man doch, noch etwas anderes in der Luft wahrnehmen zu können. Ein Gefühl von Vertrautheit, eine Ahnung von dem, was hätte entstehen können.

Die Sondierungen eröffneten die Möglichkeit, dass sich zwei so unterschiedliche Politiker wie Winfried Kretschmann und Horst Seehofer zum Frühstück trafen. Und bei diesem Treffen erstaunt feststellen mussten, dass nicht nur ihre Einstellung zum Weltfrieden übereinstimmte, sondern dass sie auch dieselbe biologisch abbaubare Hämorrhoiden-Creme benutzten.

„Winfried und ich, wir sagen jetzt du“, teilte uns Horst später mit. Wie oft sollte man dieses vertraute Du noch hören: du, mein lieber Horst, du, mein liebster Winfried, lieber Horst, du, mein Lieber. Und als Winfried Kretschmann den bayrischen Ministerpräsidenten neckisch ‚mein lieber Horsti‘ nannte, da wussten wir, dass endlich zusammenwuchs, was schon lange zusammengehörte.

Die Vertrautheit wurde so groß, dass mir in einer stillen Stunde Katrin Göring-Eckardt ihren größten Wunsch erzählte. Einmal Ministerin sein in einem neu zu schaffenden Ministerium für die Rettung von Einhörnern.

Nur Lindner und Kubicki trübten das harmonische Bild. Kubicki telefonierte dauernd mit seiner Frau. Aber die wollte ihm keine frischen Hemden bringen und da wurden die ersten Zweifel laut an der Regierungsfähigkeit der FDP. Denn wie sollte Kubicki ein Ministerium führen, wenn nicht einmal seine Frau auf ihn hörte. Doch wir wollten die Zeichen nicht sehen, wir hofften bis zuletzt. Umsonst.

Es ist Zeit vergangen, doch noch immer sitzt der Schmerz tief. Gestern traf ich Altmaier, er saß allein an einem Tisch in der Bundestagskantine und sein Gesicht war tränenüberströmt. Als er mich bemerkte, reichte er mich eine Karte. Göring-Eckardt hatte sie ihm geschickt, auf der Vorderseite war ein weinendes Einhorn, auf der Rückseite hatte Göring-Eckardt ein Gedicht geschrieben:

Für dich, Peter, der du gelernt hast, den Schmerz zu fühlen, den ein Regenwurm fühlt, der in einem von Pestizid verseuchten Boden qualvoll stirbt.

Und auch den Schmerz der Bienen verstehst, den Schmerz der Schmetterlinge und der scheuen Einhörner, die, wenn sie denn wählen könnten, eine Jamaika-Koalition gewählt hätten.

Sie sind traurig wie wir, denn es ist vorbei. Aber ihr sollt wissen, liebe Würmer und liebe Schmetterlinge und liebe Vögel und auch ihr, liebe Einhörner im grünen Wald.

Wir werden weiter für euch kämpfen.